Wissenswertes

Meine Rechte im Streik

Die wichtigsten Informationen zu deinen Rechten im Streik
29.11.2023
Meine Rechte im Streik

Die wichtigsten Informationen zu deinen Rechten im Streik

  • Alle Tarifbeschäftigten, die vom Streikaufruf umfasst sind, haben das Recht, diesem Aufruf zu folgen – egal, ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht. Auszubildende, Praktikanten, dual Studierende dürfen ebenfalls einem an sie gerichteten Streikaufruf folgen.

  • Eine Teilnahme am Streik muss nicht beim Arbeitgeber, Vorgesetzten etc. angekündigt werden. Eine Abmeldung vor der Beteiligung an einem Streik ist nicht erforderlich.

  • Eine Pflicht zum Ausstempeln besteht nicht. Im Gegenteil sogar: Wer ausstempelt befindet sich in Freizeit. Und wer in Freizeit ist, kann dem Arbeitgeber nicht durch Streik die Arbeitsleistung vorenthalten.

  • Für die Zeit der Streikteilnahme wird vom Arbeitgeber kein Entgelt gezahlt. Die Gewerkschaft zahlt für Mitglieder ein Streikgeld.

  • Beamt*innen haben kein Streikrecht. Sie können aber in ihrer Freizeit (z.B. durch Ausstempeln, an freien Tagen, vor und nach der Arbeit) an Demonstrationen und Kundgebungen teilnehmen. Die Behauptung, Beamt*innen dürften aufgrund ihrer „Loyalitäts- und Treuepflicht“ nicht an öffentlichen Kundgebungen etc. teilnehmen ist falsch. Ihr Recht auf Teilnahme an Kundgebungen und Demonstrationen leitet sich direkt aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz ab und umfasst jede gewerkschaftliche Betätigung, die freie Meinungsäußerung und die Demonstrationsfreiheit.

  • Notdienste können nur angeordnet werden, wenn zwischen dem Arbeitgeber und ver.di in eine Notdienstvereinbarung vereinbart wurde. Niemand, auch Beamt*innen nicht, dürfen einseitig verpflichtet werden die Arbeit von Streikenden zu übernehmen.

Hier findest du weitere Infos und Infoblätter:

 

  • Notdienst

    Die Aussage der Personalabteilung „Notdienst zu leisten, ist arbeitsvertragliche Pflicht“ ist missverständlich. Die Arbeitgeber versuchen häufig, in Streiksituationen über sogenannte „Notdienstarbeiten“ den Geschäftsbetrieb teilweise aufrechtzuerhalten. Festzustellen ist: Notdienstarbeiten sind nur auf Grundlage einer Notdienstvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und ver.di zu leisten. Die Arbeitgeberin darf nicht einseitig Notdienst anordnen. Damit würde sie in die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreifen und das Streikrecht einschränken.

    Nach gefestigter Rechtsprechung verschiedener Landesarbeitsgerichte müssen sich die Arbeitskampfparteien über die Organisation des Notdienstes einigen (so LAG Frankfurt 22.4.1969, AuR 1970, 349; LAG Niedersachsen 1.2.1980, AuR 1981, 285; LAG Niedersachsen 22.10.1985, DB 1986, 1023). In der letztgenannten Entscheidung heißt es wörtlich: „In Übereinstimmung mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 1.2.1980 - 10 Sa 110/97 - geht die erkennende Kammer davon aus, dass bei der Bestimmung von Art, Umfang und Personaleinsatz des Notdienstes der Arbeitgeber und die den Streik führende Gewerkschaft zusammenwirken müssen, weil nur ein solches gemeinsames Handeln der Lage gerecht wird. Bei einer einseitigen Festlegung durch den Arbeitgeber wäre es diesem freigestellt, in das Streikrecht einzelner Arbeitnehmer einzugreifen.“ Das BAG stellt in seinem Urteil vom 31.1.1995 (AuR 1995, 374) fest: „Die Regelung der Modalitäten eines arbeitskampfbedingten Notdienstes ist - zumindest zunächst - gemeinsame Aufgabe des Arbeitgebers und der streikführenden Gewerkschaft. Dies gilt in den Grenzen des allgemeinen Willkürverbots auch für die Auswahl der zum Notdienst heranzuziehenden Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmer hat nicht allein deshalb einen Anspruch auf Einsatz im Notdienst, weil er sich nicht am Streik beteiligen will“.

    Fazit: Niemand darf vom Arbeitgeber einseitig zum Notdienst verpflichtet werden! Wenn der Arbeitgeber einen Notdienst für nötig hält, MUSS er mit ver.di eine Notdienstvereinbarung abschließen.

     

  • Beamt*innen im Arbeitskampf

    Die verschickte E-Mail der Personalabteilung enthält folgende Aussage: „Beamtinnen und Beamte haben nicht das Recht, an Arbeitskampfmaßnahmen teilzunehmen oder diese zu unterstützen. Die Teilnahme oder Unterstützung stellt eine Dienstpflichtverletzung dar.“ Diese Aussage ist nicht nur missverständlich, sondern falsch. Hierzu ist klarzustellen: Ja, Beamt:innen haben kein Streikrecht. Aber auch wenn Beamt:innen nicht streiken dürfen, ist es ihnen erlaubt, den Streikenden ihre Solidarität zu bekunden, indem sie in ihrer Mittagspause oder in der Freizeit an Streiks teilnehmen. (BVerwG Urteil vom 23.2.1994, AZ 1 D 48/92).

    Natürlich ist für Beamt:innen eine Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen und damit die Unterstützung von Streikaktionen erlaubt. Eine Demo ist im Gegensatz zum Streik eine öffentliche Kundgebung von Personen zur öffentlichen Darstellung von Meinungen. Demonstrieren lässt sich also als reine Privatsache gegen alles Erdenkliche: zum Beispiel für mehr Urlaub, mehr Freizeitausgleich, gegen Rassismus oder anderes. Das können auch Beamt*innen tun, sofern es in ihrer Freizeit geschieht. Gestützt wird das Demonstrationsrecht durch die Grundrechte nach Artikel 5 und 8 Grundgesetz auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

    Fazit: Beamt*innen haben kein Streikrecht. Sie können aber in ihrer Freizeit (z.B. durch Ausstempeln, an freien Tagen, vor und nach der Arbeit) an Demonstrationen und Kundgebungen teilnehmen und ihre Grundrechte auf Koalitions- Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrnehmen.

     

  • Abmelden/Zeiterfassung/Ausstempeln

    Muss ich mich beim Vorgesetzten abmelden oder in Streiklisten des Arbeitgebers eintragen?

    Derartige Verpflichtungen bestehen rechtlich nicht. Eine Abmeldepflicht beim Arbeitgeber wäre auch mit der wirksamen Ausübung des Streikrechts nicht vereinbar, da der Entschluss der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Streikteilnahme durch zusätzlichen psychologischen Druck erschwert würde. Laut Bundesarbeitsgericht erfolgt die „Erklärung der Teilnahme an einem Streik in der Regel dadurch, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an einen entsprechenden Aufruf der Gewerkschaft die Arbeit niederlegt. Der Arbeitgeber kann regelmäßig davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer, der nach einem gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zur Arbeit erscheint oder den Arbeitsplatz verlässt, von seinem Streikrecht Gebrauch macht.“ (BAG 7. April 1992 - 1 AZR 377/91 - BAGE 70, 119, zu II 2 der Gründe)

    Der Arbeitgeber schreibt zum Thema Zeiterfassung in seinem Rundschreiben: „Sind in der Verwaltung/dem Betrieb Zeiterfassungsgeräte vorhanden und besteht die Verpflichtung, diese Geräte beim Betreten bzw. Verlassen der Verwaltung/des Betriebes zu betätigen, liegt eine Pflichtverletzung vor, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Zwecke der Teilnahme an einer Arbeitskampfmaßnahme während der Arbeitszeit die Verwaltung/den Betrieb verlassen und wieder betreten, ohne dies durch Betätigung der Zeiterfassungsgeräte zu dokumentieren.“ Diese Aussage ist aus zwei Gründen nicht richtig:

    • 1. Wenn ver.di zum Streik aufgerufen hat und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich dem Streikaufruf anschließen, ist automatisch die Arbeitspflicht für die Dauer des Streiks aufgehoben. Soweit in einem bestreikten Betrieb rechtswirksame Regelungen über Verhaltens- und Abmeldepflichten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Verlassen des Arbeitsplatzes oder des Betriebes bestehen, gelten diese nicht für Streiks. Es besteht nach der Ansicht von ver.di keine Pflicht, beim Verlassen des Betriebes zum Zwecke der Streikbeteiligung gegebenenfalls dort vorhandene Zeiterfassungsgeräte zu bedienen. Aufgrund der Beteiligung am Streik ist die Pflicht zum »Ausstempeln« aufgehoben.

    • 2. Die noch viel gewichtigere Begründung ist, dass Beschäftigte sich durch Ausstempeln in Freizeit befinden – und in der Freizeit kann man nicht streiken. Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2015 hierzu festgestellt: „Darin liegt jedoch eine Streikteilnahme im Rechtssinne nur dann, wenn der Arbeitnehmer ohne die Ausübung des Streikrechts zur Arbeitsleistung verpflichtet wäre. ´Streik´ ist die kollektive Vorenthaltung der geschuldeten Arbeitsleistung, um durch die daraus resultierenden wirtschaftlich schädlichen Folgen Druck auf die Arbeitgeberseite dahin auszuüben, in eine gewünschte tarifvertragliche Regelung einzuwilligen (vgl. Kissel Arbeitskampfrecht § 14 Rn. 1, 2 mwN). Ein Arbeitnehmer, der außerhalb der Lage der für ihn geltenden täglichen Arbeitszeit an einer Streikkundgebung teilnimmt, enthält dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung nicht vor und streikt nicht. “Streiken” während der Freizeit ist keine Streikteilnahme. Diese ist außerhalb der persönlichen Arbeitszeit rechtlich nicht möglich.“ Das Bundesarbeitsgericht erklärt: Um gegenüber dem Arbeitgeber die Ausübung des Streikrechts deutlich zu machen, „hätte es genügt, nicht ´auszustempeln´“.

    Fazit: Eine Teilnahme am Streik muss nicht beim Arbeitgeber, Vorgesetzten etc. angekündigt werden. Eine Abmeldung vor der Beteiligung an einem Streik ist nicht erforderlich. Eine Pflicht zum Ausstempeln besteht nicht. Die Forderung der Bedienung der Zeiterfassungsgeräte („Ausstempeln“) widerspricht der aktuellen Rechtsprechung.